L I Q U I D R O O M
[ 10. August 2001 ]
Bilder 01 - 10

Well done Takkyu !
Liquidroom, Tokyo

Musikalische Querfeldeinfahrt

Ich hatte Takkyu Ishino ja bis jetzt nur immer mal für 2-3 Stunden gehört, zusammen mit anderen DJs. Dieser Abend gehörte Takkyu ganz alleine, und ich erwartete eigentlich nonstop monotones Geschrubbe, aber ich wurde eines besseren belehrt.....

Erst mal hat ja alles recht aussichtslos angefangen. Gegen 23.20 kamen wir beim Liquidroom an. Man konnte sich (wie immer) auch an diesem Tag Tickets im Vorverkauf holen, aber wer holt sich schon Tickets im VVK für ein "normales" Clubevent ?? Nun, fast alle meine japanischen Freunde hatten dies getan, und sie wussten warum. Vorm Liquidroom angekommen war draußen eine 10 Meter Schlange.. nun ja, das ist ja nicht so viel, oder ? Ich stellte mich mal hinten an während meine Freunde, die bereits Tickets hatten, schon links an der Schlange vorbei hinein konnten. Ich wartete ein paar Minuten, plötzlich erschien einer meiner Freunde an der Tür und sagte ich solle vorkommen. Nun, ich hatte aber zwar kein Ticket aber was solls...Ich dachte die kurze Schlange vor der Tür würde nur bin zum Fahrstuhl unten am Eingang führen, aber Pustekuchen, die ging nach rechts ins Treppenhaus.... ich ahnte Übles... immerhin ist das Liquidroom im siebten Stock ! Nun ja, Masil führte mich ins Treppenhaus, und wir gingen die ersten zwei Treppen hoch, bis wir KSK fanden, einen weiteren Kumpel, der auch keine Karte hatte und in der Schlange wartete. Masil brabbelte irgendwas von wegen ich solle hier warten und verschwand dann nach oben.... hmm... mein japanischer Freund in der Schlange (der leider nur Japanisch sprach) deutete irgendwas an von wegen ich solle auch hochgehen... leider ist mein Japanisch noch nicht so gut, als dass ich genau gegriffen hätte was er jetzt wollte. Schließlich hatte ich ja auch kein Ticket. Nun gut, ich machte mich auf den Weg nach oben.

Das war echt wieder typisch japanisch:
Alle standen schön brav an der rechten oder an der linken Seite des Trappenhauses. Alle ordentlich in einer Reihe hintereinander. Kein Gedrängel, kein Gequetsche, und der Mittelgang war frei. Ich arbeitete mich durch 7 Stockwerke voller wartender Leute rechts und links von mir. In dem Treppenhaus war es außerdem saumäßig heiß, da es da keine Klimaanlage gab und durch die vielen Leuten die Luftfeuchtigkeit voll hoch war. Oben angekommen wusste ich, warum die Leute alle so brav rechts und links im Treppenhaus gestanden waren: Auf der rechten Seite waren die Leute ohne Ticket, die linken Seite die mit Ticket.
Nun stand ich also oben am Einlass, ohne Ticket, 7 Stockwerke vorgedrängelt, und von Masil weit und breit keine Spur. Ich überlegte kurz (wirklich nur seehr kurz) ob ich die 7 Stockwerke wieder runterrennen sollte um mich schön brav ganz hinten in die Schlange der "Nicht-Ticket-Besitzer" zu stellen....... aber der Gedanke an 7 Stockwerke Warteschlange über mir turnte mich zu sehr ab... also beschloss ich in unverschämter Gaijin-Manier mich einfach hinter den ersten 4 Leuten der "Nicht-Ticket-Besitzer" in die Schlange zu quetschen und mir so 2 Stunden anstehen zu ersparen..... ich weiß, böse gelle ;o)
In dem Treppenhaus war es so heiß und schwül, dass ich nur vom rumstehen alleine nach 10 Minuten klitschnass war (erinnerte mich irgendwie ans Omen früher ;o). Ab und zu ging die Tür auf und ein kühler Luftstrom kam heraus (leider nur spürbar für die ersten paar Leuten vorne in der Schlange, zu denen ich ja jetzt gehörte *g*). In Japan ist das genau umgekehrt wie bei uns: Draußen ist es super krass heiß und schwül, und die Clubs sind so runtergekühlt, dass man fast Tanzen muss um sich keine Erkältung zu holen :o).

Nach 20 Minuten tat sich dann endlich mal was (anscheinend war der Einlass erst um 0 Uhr) und erst mal wurden nur die Leute mit Ticket reingelassen. Nach dem ca. 30 Minuten später links von mir 7 Stockwerke "Mit-Ticket-Clubber" vorbeigerauscht waren, gings dann auch endlich in unserer Schlange los, und die Leute freuten sich wie verrückt und klatschten Beifall wenn sie endlich reingelassen wurden. Die Gruppe hübscher Japanerinnen vor mir (hinter die ich mich in die Schlange gedrängelt hatte) hüpfte fröhlich wie ein Haufen Hundewelpen sofort auf die Tanzfläche, wo sie sich den Rest des Abends (stets umgarnt männlichen Geschlecht) dann auch nonstop aufhielten.

Als ich endlich auf der Tanzfläche des Liquidroom eintraf war der Club schon ganz gut gefüllt, aber noch nicht richtig voll. Aber in der nächsten Stunden trafen dann aber auch die restlichen 7 Stockwerke an Partypeople ein
(die, die hinter mir gestanden waren :-) , und es wurde richtig eng. Das DJ Pult ist fast versteckt hinter einer Absperrung, und vorne dran drängelten sich durchgehend bis zum Ende die Groupies (fast ausschließlich weiblichen Geschlechts).

Anfangs gab's die typischeren locker-groovigen Sachen zu hören, und ich rechnete damit, dass es danach zum härterem Sound ginge. Tatsächlich dauerte es aber seeeehr lange, bis die erste richtig harte Platte auf dem Teller lag. Vorher gab's ein Set ohnegleichen. Von House, Trance, Electro und seehr vielen 80iger Remixen gab's wirklich fast alles, was unsere Musik an Vielfalt zu bieten hat. Alte Klassiker wie "Amphetamin" oder der 92iger Track "Don't you want me" (von Felix oder so) lösten diverse Remixe aus den 80igern ab, die anscheinend in Japan momentan total in sind: Billy Jean von Michael Jackson, West End Girl von den Petshop Boys, Sweet Dreams (Eurithmics), Don't go (?),.... ect ect ect. Sogar Nenas "99 Luftballons" (englische Version) gab's zu hören, kein Remix sondern original mit dürrem 80-iger Beat. Tracks im "Breakcore" Style aus den frühen 90igern (im Prinzip oldschool Breakbeats die mit einer 4/4 Kickdrum unterlegt sind) über Electrotracks, die weit in den Hiphop-Bereich hineinreichten, bis hin zum harten EBM-Sound (Nizzer Ebb) der späten 80iger....... Sehr viele Tracks hatten deutschsprachige Samples. Auch ein paar Trance Tracks gab's zu hören, sowie "traditionellen" 303-Acid Sound, ect. ect. ect....... wirklich eine super interessante, originelle Mischung. Und das sind nur die Sachen, die mir jetzt noch einfallen. Als Takkyu zwischen 4 und 5 Uhr dann mit dem richtig hartem Sound loslegte war es genau das, was ich in dem Moment gebraucht habe. Nach 1-2 Stunden recht harten Gebretters gab's dann einen entspannteren Teil mit chilligen Tracks, zum Teil ohne Rhythmus, einfach nur flächensounds. Ein superschöner Track in japanischer Sprache war dabei, leider keine Ahnung wie der heißt.

Aber nicht nur der Sound an sich, auch Takkyu's Auflegtechnik brachte mich das ein oder andere mal zum schmunzeln. Als bei einem Tracks mal ein Kratzer in der Platte war, hätte jeder andere DJ wahrscheinlich sofort panikartig ausgefaded. Takkyu aber ließ die Platte erst mal eiskalt noch 2 Minuten am Kratzer loopen und suchte währenddessen in aller Seelenruhe die nächste Scheibe aus seinem Plattenkoffer ;o))

Irgendwann war's dann kurz vor 7 Uhr, und als ich fragte, wie lange Takkyu denn heute spielen würde, bekam ich 7 oder 8 Uhr zu hören. Das konnte ich schon kaum glauben, da die meisten Clubs in Tokyo zwischen 5 und 6 Uhr dicht machen. Einzig und alleine das Liquidroom selber hatte ich bis mal jetzt bis 7 Uhr genießen können, aber das war auch das Maximum. Ich rechnete damit, dass um 7 Uhr wahrscheinlich Schluss wäre. Nun, und wieder einmal an diesem Abend wurde ich eines besseren belehrt: Es wurde 7, es wurde 8, es wurde 9 ...... na wie lange spielt er denn noch ?? Das fragten sich an diesem Morgen auch noch einige andere.

Um kurz nach 11.30 Uhr gingen endlich im Liquidroom die Lichter an. Obwohl mir schon die Füße weh taten war ich doch froh, bis zum Schluss dageblieben zu sein, immerhin musste ich ja die Flaggen Frankfurts in die Höhe halten, oder :o) ? Doch, schon wieder wurde ich eines besseren belehrt. Durch den anhaltenden Beifall der letzten noch anwesenden Partypeople fühlte Takkyu sich wohl provoziert nach dem Motto "Ach, ihr habt IMMER noch nicht genug ??". Also Lichter gingen die Lichter wieder aus, und weiter gings....

Um es kurz zu machen:
Um 12.40 Uhr wurde es nach einer langen Nacht endgültig still im Liquidroom. Und ich meine wirklich still, weil alle noch Anwesenden standen nach dem letzten Track auf der Tanzfläche und starrten schweigend auf Takkyu, als könnten sie es nicht glauben, dass nun wirklich Schluss wäre... Es gab noch einmal einen zögerlichen Beifall, bloß nicht zu viel, sonst gibt's noch ne Zugabe bis 3 Uhr nachmittags *g*. Takkyu war an diesem Tag alles zuzutrauen und wir waren alle schlag-K.O. :o)

Während seiner "Zugabe" hatte Takkyu fast nur noch richtig krass gebrettert, legendlich die letzten 3-4 Tracks waren zum ausklingen etwas ruhiger gewesen. Der letzte Track war auch irgendwas sehr extravagantes mit irgendeinem schwachsinnigen deutschem Text, den ja Gott sei Dank außer mir keiner verstand:

"Und wenn ich nicht hier bin, bin ich am Radar oder auff'm Sonnendeck, bin ich, bin ich, bin ich, ... und alles was ist dauert 3 Sekunden, eine für Vorher eine für Nachher eine für Mittendrin..."

... oder so was in der Art .. na ja ich musste ein wenig in mich reinschmunzeln.

Unter den Gästen dieses Abends war auch DJ Tasaka (siehe Bericht Luners & Maniac Love) der den ganzen Abend als Gast auf der Tanzfläche mit den Leuten mitgefeiert hat. Tasaka gehört mit zu den absoluten upcoming DJ-Größen der japanischen Szene, und durch sein Booking dieses Jahr auf der Mayday ist er auch in Deutschland erstmals in Erscheinung getreten. Ich finde es cool, wenn so jemand trotzdem noch einfach als Clubber unterwegs ist und 12 Stunden ohne irgendwelches VIP-Gehabe einfach unter seinen Leuten abfeiert. So was findet man bei den großen DJs ja so gut wie gar nicht mehr, die meisten stehen ja nur noch hinterm DJ Pult und kaum noch auf der Tanzfläche.

Die deutschen DJs werden in Japan hoch verehrt, aber an diesem Tag war zu sehen, wer unbestrittener DJ-König in Japan ist. Takkyu Ishino wird regelrecht vergöttert. Und warum auch nicht, immerhin ist er einer der wenigen weltbekannten japanischen DJs. Wer Takkyu mal für 2-3 Stunden in Deutschland gehört hat der sollte wissen, dass die kurzen Sets von ihm wirklich etwas komplett anderes sind. Die waren schon ok, aber hatten mich bisher auch nicht sonderlich vom Hocker gerissen. Vielleicht gibt man Takkyu ja mal einen kompletten Abend in einem deutschen Club. Wer Abwechslung mag und auch für andere Bereiche des großen Spektrums offen ist, das unsere Musik zu bieten hat, der sollte sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen. Sein 13-stündiges Marathon-Set an diesem Abend war mit Abstand das abwechslungsreichste, innovativste und extravaganteste was ich seit sehr, sehr langer Zeit gehört habe. Ich habe mich sogar im Club schon mal hingesetzt, um einfach einige Tracks dieses Abends aufzuschreiben, damit ich sie in diesem Bericht nicht vergesse.

Anscheinend war eine so langes Set aber wirklich nicht geplant gewesen, zumindest schien Takkyu quantitätsmässig nicht darauf vorbereitet gewesen zu sein. So fing er dann ab ca. 8 Uhr an, sein Set mehr oder weniger zu wiederholen, so dass man die musikalischen Sahnehäubchen der vergangen Nacht fast alle noch mal zu hören bekam. Legendlich die letzen 90 Minuten gab's dann wieder ein paar neue Tracks, da hatte wohl jemand Nachschub gebracht .... vielleicht war das auch der Grund für die ausgedehnte Zugabe ;o)

Totemo tanoshikatta ! Domo arigatou gozaimashita !

www.liquidroom.net

____Japanese version

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Blick die Trappe runter. Es kamen in dem Moment gerade ein paar Leute hoch deswegen sieht es auf dem Photo nicht so geordnet aus.

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Kurz vorm Eingang... bis dahin hatte ich mich "vorgedrängelt".. unverschämt ich weiss ;o)
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Reirei, Midori, Makiko, Masil
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Blick auf die Tanzfläche des Liquidroom kurz nach meiner Ankunft.
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Die Japaner gehen mal wieder voll ab
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Yoko auf der Tanzfläche
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Irgendwie haben die Japaner dauernd die Hände vorm Gesicht
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?, Reirei und Midori auf dem Podest
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